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URBAN FOREST
2015

Im Briefing, das das Kooperative Labor Studierender Im Kontext von Wohnungsfrage entwickelt hat, formulierte die Gruppe den Entwurf eines Gemeinschaftswohnhauses unter Berücksichtigung der speziellen Anforderungen von Menschen im Bildungsprozess. Ziel war ein Prototyp jenseits konventioneller Typologien studentischen Wohnens. Im Bewusstsein der Doppelrolle, die Studierende auf dem Wohnungsmarkt spielen, da sie sowohl Opfer als auch Beschleuniger der innerstädtischen Gentrifizierung sind, konzipierte die Gruppe ein Wohnprojekt, das wirtschaftlich tragfähig und gleichzeitig für junge Leute bezahlbar ist.

Sie formulierten den Wunsch nach einer offenen Baustruktur, in der es möglich ist zu teilen und voneinander zu lernen. Eine ihrer wichtigsten Vorgaben war die Idee einer Schnittstelle - ein Zwischenraum, der die Verknüpfung dieser Funktionen räumlich artikuliert und als Übergangszohne vom öffentlichen über den gemeinschaftlichen zum privaten Raum dienen kann.

Dieses Briefing war der Ausgangspunkt für ihre Zusammenarbeit mit dem Atelier Bow-Wow aus Tokio, das bekannt ist für die Entwicklung und Umsetzung von Gestaltungsideen an marginalisierten, schwierigen Orten mithilfe pragmatischer Architekturlösungen - oft durch die Umfunktionierung traditioneller Gebäudetypen. Das Büro hat ein Konzept der "commonality", des architektonischen Miteinanders entwickelt, das die Bewohner*innen als integralen Bestandteil der räumlichen Gegebenheiten versteht: Zwischen Verhalten und architektonischer Typologie besteht eine enge Verbindung, da beide von gemeinschaftlichen Lebensweisen geprägt werden.

Das Atelier Bow-Wow setzte die Vorgaben im Briefing von Kolabs in einen Entwurf um, der Raummodell und Metapher zugleich ist, wie sich bereits im Titel Urban Forest ausdrückt. Als Anregung diente dabei die Figur des Barone Rampante aus einem Roman von Italo Calvino, ein junger Baron aus dem 18.Jahrhundert, der sich entscheidet, auf den Bäumen zu leben, um sich von den Zwängen einer sozialen Hierarchie zu lösen, die allzu oft auf den Bedingungen des Landbesitzes fußt. In Urban Forest äußert sich diese Entscheidung durch die Loslösung der auf ein Minimum reduzierten Schlafkapseln vom Boden, während der Hauptbereich innerhalb des schlichten rechteckigen Rahmens als Raum für eine Vielzahl öffentlicher und halböffentlicher Nutzungen zu Verfügung steht - im Einklang mit den Zentralen Konzepten der Gemeinschaftlichkeit und Öffentlichkeit wie sie Kolabs' Vorstellung eines Raumes als "Schnittstelle" beinhaltet.

Aus dem Wohnungsfrage Ausstellungsführer
Texte von Michael Baers, Alexandra Nehmer